Trauma und die Folgen

Was bezeichnen wir als Trauma?

In der Medizin wird der Begriff „Trauma“ mit Verletzung gleichgesetzt. Vom psychotherapeutischen Standpunkt aus gesehen ist die Sache etwas komplexer. Wir unterscheiden psychische Traumen, die auf ein einziges schwer belastendes Ereignis zurückzuführen sind – Monotrauma. Traumen, die durch eine Reihe miteinander in Verbindung stehender Belastungen passiert sind – komplexe Traumatisierung. Es gibt aber auch Reaktionen, auf eine Reihe von Belastungen, die jede für sich nicht als „Katastrophe“ zu werten wäre, aber in der Summe doch belastend sind – sequentielle Traumatisierungen.

Welche Symptome weisen auf eine traumatisch bedingte Störung hin?

Die Folgen von Traumatisierungen sind vielfältig: unerklärliche Angstzustände, Albträume, Panikattacken, Übererregbarkeit und Sensibilität auf bestimmte Reize: man reagiert (zunächst) unerklärlich heftig auf Situationen, auf die andere Menschen gelassen reagieren.  Auch das Gefühl, plötzlich wieder in einer einst bedrohlichen Situation drinnen zu sein ist ein Traumarest. Viele von uns kennen das: Man hatte einen Unfall, wurde z.B. im eigenen Auto sitzend von einem anderen Wagen angefahren und noch Wochen danach sieht man die Szene, wie „live“ noch einmal. Aber wenn wir sonst keine Belastungen hatten hört das irgend wann wieder auf (Belastungsreaktion). Menschen mit komplexen Traumaerfahrungen erleben ihre belastenden Ereignisse wieder un wieder, auch viele Jahre danach. Diese sich selbst aufdrängenden Szenen (Flashbacks und Intrusionen) können bewusst erlebte Auslöser haben (z.B. Gerüche, Bewegungen, Tonfall der Stimme und bestimmte Gesichtsausdrücke), oder man kennt die Auslöser nicht. Ein weiteres Symptom der Traumabelastung kann jede Form von Dissoziation sein: das Gefühl sich in bestimmten Situationen von außen zu sehen, sich im eigenen Körper fremd fühlen, Zeitverlust, Vergesslichkeit für ganze Situationen.


Warum kann ich mich an gar nichts erinnern, was belastend gewesen sein soll?
Charakteristisch für traumatisierte Menschen ist auch, dass das Trauma selbst nicht erinnert wird und es oft viele Jahre gibt, in denen sie symptomfrei und unbelastet gelebt haben. Irgendwann – mitunter durch eine sonst vielleicht unbedeutende Belastung – tritt das Trauma wieder aus der Verdrängung hervor und bewirkt Symptome.
Wie kommt es zu der posttraumatischen Belastungsstörung?
Unser Wesen ist darauf eingerichtet auf bedrohliche Situationen entweder mit Kampf oder Flucht zu reagieren. Wenn das nicht möglich ist, z.B. bei Kindern die zu schwach sind sich zu wehren und abhängig, sodass sie nicht flüchten können, gibt es noch eine dritte Reaktionsmöglichkeit: den Totstellreflex. Das bedeutet man macht sich nach außen klein und unscheinbar, so dass man nicht auffällt und keine interessante Beute für den Aggressor bietet. Nach innen hin bedeutet der Totstellreflex sich von seinen Körperempfindungen abzukoppeln, also nichts zu spüren – keinen Schmerz. Der Aggressor( z.B. der schwer alkoholisierte Stiefvater) verliert das Interesse, das Kind zu schlagen, weil das keine Reaktionen darauf zeigt. Im bestimmten Situationen ist dieses Totstellen die einzige Möglichkeit zu überleben, was auch heißen kann zunächst funktionstüchtig zu bleiben. (Der vom Stiefvater geschlagene ältere Bub schützt damit seine jüngeren Geschwister.) Diese Phase des guten Funktionierens, der scheinbar positiven Entwicklung (Resilienz) kann viele Jahre anhalten und jemand derartig traumatisierter kann, wenn es in sein Lebenskonzept passt, gerade weil er gut funktionieren muss ein sehr guter Schüler oder beruflich erfolgreicher Mensch werden. Später kann es aber vorkommen, dass ihn die Ereignisse seiner Kindheit einholen und dann ist es Zeit für eine Traumatherapie.
Normalerweise wird ein (nicht weiter belastendes) Ereignis im Großhirn abgespeichert als Ganzes und zwar mit seinem Beginn, danach der Verlauf und der Abschluss. Wenn ein Ereignis nicht verarbeitet werden kann, kann es nicht im Großhirn auf diese Art abgelegt werden, sondern es bleibt im Zwischenspeicher. Reste und Teile des Ereignisses bleiben dort aktiv – damit sie vor weiteren, bedrohlichen Ereignissen schützen können. So wird die einst erfolgreiche, da lebensrettende Strategie wieder, mit dieser Belastung umzugehen wieder und wieder im Gehirn durch minimale Auslöser abgerufen und durchlaufen, auch wenn sie im Hier und Jetzt – aus der Sicht des Erwachsenen – weder nötig noch sinnvoll wären.

Wie kommt es zu Traumatisierung?

Nicht jedes belastende Ereignis ist ein Trauma und umgekehrt, es gibt Traumatisierungen die auf Ereignisse beruhen, die für andere Menschen relativ harmlos wirken. Diese Phänomen hat die Traumaforschung viel Jahrzehnte gekostet, denn lange Zeit entschieden Gerichte und Gutachter, was ein Trauma ist und was nicht. Glücklicherweise hathier in den letzten Jahren ein gewissen Umdenken eingesetzt. Wir gehen heute – zumindet für den therapeutischen Kontext – davon aus, daß jeder Mensch Zeiten besonderer Verwundbarkeit hat. Wenn eine (persönliche) Katastrophe in einer solchen Zeit passiert, und es dem Betroffenen nicht gelingt, die Krise zu bewältigen, kann sich eine chronische Belastung entwickeln, die man nicht so schnell wieder los wird. Ereignisse, die nicht aus dem Kopf gehen, schlimme Erlebnisse, die das ganze weitere Leben beeinflussen, die sie in den Grundfesten erschüttern. Verkehrsunfall, Vergewaltigung, Überfall oder der Tod eines geliebten Menschen, das sind Dinge, die erst verarbeitet werden müssen. In der ersten Phase wird es nicht immer nötig sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn aber nach mehreren Wochen oder Jahren noch immer die Welt aus den Fugen geraten scheint, wenn „Flash-backs“ auftreten oder langdauernde depressive Verstimmungen die Freude am Leben über Jahre trüben, so ist es sinnvoll, dies mit der PsychotherapeutIn zu bearbeiten.

Die Therapie bietet hier nicht nur an die aktuelle Krise anzuschauen, sondern auch – und das erscheint viel wichtiger – sie zu einer Möglichkeit zu machen daran zu wachsen und sich zum Positiven zu verändern.

Was bedeutet Traumatherapie und wie wirkt sie?
Die Traumatherapie ermöglicht durch spezielle Techniken, die im Zwischenspeicher abgelegten, unbewältigten Reste zu verarbeiten, sodass sie im Großhirn wie anderer Ereignisse auch mit ihrem Beginn, Verlauf und Abschluss abgelegt werden können. Obwohl sehr viele Menschen unter den Folgen von Traumen leiden benötigte es doch sehr viele Jahre bis verstanden wurde, was bei einer Traumatisierung im Gehirn passiert und warum einfache Gesprächstherapie hier nicht immer wirkungsvoll sein kann. Aus meiner Erfahrung mit KlientInnen erlebte ich es schon vor vielen Jahren hautnah: die traumatisierende Erfahrung war zwar für die Klientin unbewußt sehr präsent, aber wie der Vollmond hinter Wolken,  blieb sie unfassbar und vor allem nicht mit Worten beschreibbar.

Ich hatte vor vielen Jahren eine Klientin mit einer schweren Essstörung. In der Psychotherapie stellte sich heraus, dass eine schwere Traumatisierung die Basis für diese Erkrankung war, aber die Klientin konnte weder über das Trauma sprechen, noch es anders, z.b. durch Zeichnen mitteilen. Zu viele Blockaden verhinderten, das sie sich Trauma anschauen und abschließen konnte. Konventionellle Psychotherapie setzt ein gewisses Mindestmaß an Verbalisierungsfähigkeit voraus. Da mir damals die Mittel und Techniken für eine Traumatherapie fehlten, konnte bei dieser Klientin die Therapie nicht den vollständigen Erfolg bringen.

Heute arbeite ich mit EMDR und kann so traumatisierende Ereignisse bei KlientInnen integrieren und ihnen die belastende unbewußte Präsenz nehmen, ohne zu viel in die Verbalisierung zu gehen.